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Minden - Anders als erwartet!

28.05.2023

Unser letzter Besuch in einer Stadt, über die ich geschrieben habe, war Bremen. Seitdem habe ich Städte besucht, aber nichts davon erzählt. Die letzten Tage hatte ich einige Gelegenheiten, Minden zu erkunden:

Seit dem frühen Mittelalter ist die Stadt als Erzbistum bekannt. Der Katholizismus war hier so stark verbreitet, dass der Bischof damals die Rechte eines Königs hatte. In Minden wurde im Mittelalter viel Politik gemacht, gebetet und viele Rohstoffe und lokale Handwerksprodukte über die Weser als natürlichen Fluss nach Bremen transportiert. Das Bistum Minden war wohlhabend. Der Handel boomte.

Wenn ich heute versuche, etwas über Minden herauszufinden, im Internet oder in Büchern, sehe ich vor meinem inneren Auge eine Stadt mit einem mittelalterlichen Stadtkern, romantisch, traditionell, vielleicht sympathisch im Erscheinungsbild. Man kann den Dom und den Domschatz besichtigen. Beide sind empfehlenswert. Hier erfährt man alles über die Geschichte der Katholiken in Minden.

Natürlich war der Einfluss der Reformation in Minden ebenso groß wie der Katholizismus, weshalb es im Stadtzentrum mehr als eine große protestantische Kirche gibt.

Einige Jahrhunderte in der Geschichte Mindens überspringend, wurde ein Teil der Stadt im Zweiten Weltkrieg bombardiert; so auch der Dom. Doch der katholische Glaube der Mindener war auch nach dem Zweiten Weltkrieg so stark, dass die Domkirche danach wieder aufgebaut wurde. Ein Teil der Gebäudemasse ist original, ein wesentlicherer Teil wurde jedoch als Kopie des Originals wieder aufgebaut. Der Dom ist beeindruckend, die Bleiglasfenster, die Größe und Dimension einnehmend... Die Altare von Maria und Antonius sind stark. 

Viel beeindruckender aber, sind die Fassaden der kaum restaurierten protestantischen Kirchen, die in dem für diese Region typischen Sandstein erbaut sind. Der Bahnhof, der Wasserstraßenbau und eine Reihe historischer Stadtgebäude bestehen aus diesem Sandstein, der vermutlich vom Fluss aus in die Stadt gebracht wurde. Das Erscheinungsbild dieser Architektur lässt einen kleinen Teil des früheren Reichtums der Region vermuten.

Den historischen Stadtkern muss man suchen und wenn man ihn gefunden hat, wird man überrascht sein, wie unbelebt es hier ist. Zwischen Fachwerkhäusern wachsen alte Bäume. Es gibt ein paar liebevoll dekorierte Souvenirläden, viele sind geschlossen.

Erschreckend sind manche Gebäude in der Innenstadt. Architektur der siebziger Jahre verdeckt den Anblick mehrerer historischer Bauwerke. Einige denkmalgeschützte Gebäude wurden restauriert, sehen aber so kitschig aus, dass man eigentlich nicht weiß, ob sie besser im Legoland hätte platziert werden können. Der Katholizismus hatte viel Macht. Auf jedem wieder neu eigebrachten Stützbalken befindet sich ein Psalm, der die Macht der Kirche demonstriert.

Minden ist definitiv keine Stadt für einen Besuch am Montag, Dienstag oder Mittwoch. Alle Gastronomiebetriebe sind geschlossen, bzw. öffnen erst ab 17 Uhr. Es ist eine echte Suche: Suche nach dem echten Mindener, Suche nach Tradition und Handwerk, Suche nach lokalem Essen, Suche nach Geschichten aus der Geschichte.

Das mag daran liegen, dass dort 3,4 Mal mehr Menschen mit Migrationshintergrund leben als Ur-Mindener und ein Großteil der Geschäfte in der Innenstadt von Kiosk's, Teleshops und Döner-Restaurants dominiert wird. Darüber hinaus kann jeder sein Firmenlogo in jeder beliebigen Schriftart auf der historischen Fassaden anbringen, so dass ein Teil des traditionellen Erscheinungsbildes zur Multikultur transformiert wird.

Minden muss man suchen. Aber wenn du suchst, wirst du finden: Wie zum Beispiel die handwerkliche Familienbäckerei Battermann, wo man gegenwärtig ein traditionelles Mindener Graubrot probieren kann. Man muss sich nicht im Internet über Minden belesen, wenn man hierher kommt. Im Café hängen historische Fotos der Stadt. Lokale Neuigkeiten erfährt man schnell und welche Orte es in Minden noch zu entdecken gibt, kann man auch erfragen - am besten bei einem Stück Kirschstreusel und einer Tasse Kaffee zum traditionellen Preis.

Minden ist anders als man vielleicht erwartet. Aber auch jetzt wird Geschichte geschrieben und alles, was jetzt geschieht wird eines Tages Teil der Stadtgeschichte sein.