Havelphilharmonieorchester
15.05.2023Seit Samstagabend ist meine neue Crew an Bord. Wobei meine Crew gar nicht so neu ist: Gabi und Petra, besser bekannt als Steuerfrauen, kommen mit. Meza konnte dieses Mal nicht anheuern, aber sie reist in Gedanken mit uns. Wir sind also wieder zu dritt.
Kichernd kommen Gabi und Petra über dem Steg zum Schiff: „Für Meza haben wir doch keinen würdigen Ersatz gefunden. Dann bleiben wir lieber unter uns.“
Gestern Nachmittag um 15:30 Uhr sind wir endlich abgefahren. Dies und das war noch zu machen, Trinkwasser tanken, den Mast wieder legen, den Catwalk aufräumen, die Steckdose zurück in die Werkstatt bringen. Mein Tag begann um 7:00 Uhr mit Diesel tanken und anschließendem Befüllen der Akku's. Es war Muttertag. Zeit also, für Blumen und ein Omelett... Ein sehr netter Nachbar hilft beim Mastlegen. Er ist neugierig, wie das auf einem so großen Schiff funktioniert. Mutig dreht er den Pfahl ganz nach unten und freut sich sehr über sein Erfolgserlebnis. Ich freue mich über die Unterstützung!
In den letzten 14 Tagen fiel kein einziger Tropfen Regen. Innerhalb von 14 Tagen wurde es schnell Hochfrühling. Die Bäume sind heute knallgrün. Der Flieder blüht in voller Kraft. Wir haben 23 Grad oder mehr auf dem Thermometer.
Gestern also, fuhren wir um 15:30 Uhr los; als wir soweit waren und keine Minute zu spät! Die Havel nimmt uns auf. Wir wissen nicht, wie weit wir heute kommen werden. Wir werden sehen, ob wir einen schönen Ankerplatz finden. Ketzin ist etwas zu nah dran.
So machen wir das. Mal schauen, woran wir uns erinnern. Wo haben wir nochmal geankert, als wir nicht wollten, dass die Reise endete? Wo war welche Schleuse? Wie war das nochmal mit den Leinen? Der Dieseltank ist dieses Mal wirklich voll! Bis einschließlich Hannover wird es aber trotzdem eng. Am Wasser gibt es für uns erst dort die erste richtige Tankstelle. Wir müssen ausrechnen, wie weit wir kommen.
Wir nutzen den ruhigen Sonntagabend auf dem Wasser, um uns gut zu organisieren. Schließlich ankern wir auf dem Havelknie bei Deetz. Der Motor geht aus und wir lauschen der vertrauten und so lang weg gewesenen Ruhe.
Als die Sonne nach nur drei Stunden Fahrzeit beginnt unter zu gehen, setzt das Havelphilharmonieorchester mit seiner Frühlingssynfonie ein: Zuerst die Gänse und Enten, dann die gefiederten Sänger der Uferlandschaft. Herr Reiher stimmt gelegentlich als Bariton ein. Zwei Schwäne starten auf der Wasseroberfläche.
Nomi gesellt sich zu uns, klettert und spaziert ein bisschen an Bord und genießt die Frühlingsluft.
Als die Sonne untergegangen ist, geht das Orchester zum nächsten Stück über: Die Singvögel machen weiter, die Mücken stimmen ein und mit ihnen die dicken nassen Frösche und Unken im Schilf.
Als wir zu Bett gehen, sind nur noch die Frösche übrig. Es ist ein paar Stunden still, bevor wir wieder aufwachen, begleitet von den morgendlichen Singvögeln.
Es ist Montagmorgen. Kein einziges Schiff oder Boot fährt vorbei. Die langen Wochenenden sind noch nicht da. So schlingert jede von uns in ihre Rolle an Bord. Die Reise kann beginnen.
Eigentlich wollte ich eine andere Route fahren, aber auf Grund der begrenzten Zeit meiner Mitreisenden bleiben wir fast bei unserer bekannten Route. Der kürzeste Weg ist schließlich der, den man kennt! Wir lassen die Havel hinter uns und wollen in den Elbe-Havel-Kanal und anschließend in den Mittellandkanal einfahren. Hier und da kürzen wir die Route wenn möglich ab. Damit es nicht langweilig wird, werden wir die Route an anderen Stellen etwas verlängern.
Heute entscheiden wir uns zum Beispiel für den Silokanal nördlich von Brandenburg, wo wir nach den ersten Frühlingsregenschauern ein paar Liter Reservediesel mitnehmen. Auf dem Wasser ist es herrlich. Da sind wir uns einig. Wenn man die gleiche Strecke zurück fährt, auf der man gekommen ist, sieht es manchmal ganz anders aus. Auch darin sind wir uns einig. Das Grün ist grüner und frischer als im Herbst. Die Gerüche erinnern an den Frühling. Wir fahren heute Abend in den Elbe-Havel-Kanal ein und übernachten hinter der ersten Schleuse bei Parey. Wieder Stille.
Das Sinfonieorchester hier hat eine andere Besetzung. Ich war noch nie ein Freund vom Vogelstimmen raten. Ich kenne sie also nicht. Aber es hört sich gut an. Anders, aber schön!