Warum halten wir eigentlich nicht Kurs??
14.06.2023Gemeinsame Mahlzeiten an Bord sind die Gelegenheit schlechthin, um zu besprechen, was wir machen oder wie wir segeln wollen. Wir sind froh, dass Martijn am späten Nachmittag schon auf der Insel angekommen war. So können wir in Ruhe, die Abendroute zu besprechen.
Der Wind frischt auf. Mit aufkommendem Wasser weht für etwa 2 Stunden mit eine Stärke von 6 Bft ein Wind mit Böen von 7 Bft aus Ost. Wir haben keine Möglichkeit, später auszulaufen. Wir müssen den Hafen mit dem Hochwasser verlassen. Ansonsten heißt es warten - zumindest bis zur nächsten Flut....
Wir sind zu dritt! Die Entscheidung, das Schiff für eine so kleine Crew handhabbar zu machen und ein Reff in die Fock zu setzen (das Vorsegel kleiner machen), ist schnell gefällt. Sollten wir es später zu langsam finden, kann das Segel jederzeit wieder größer gemacht werden. Das Großsegel lassen wir so, wie es ist - standart fahre ich das Großsegel im zweiten Reff, da es der beste Segelplan für die derzeitige Ausstattung des Schiffes ist. Wir haben den Wind mit und anfangs ein wenig Gegenstrom.
Nach den letzten Tagen sind wir auf einander und auf das Schiff eingespielt. Jeder hat unbewusst seine Qualitäten gezeigt, so dass meine eigenen Aufgaben nur darin bestehen, zu navigieren, den Überblick zu behalten, die Schwerter zu bedienen und den Sonnenuntergang zu genießen, mit der Option, irgendwo einzuspringen, falls etwas nicht klappt. Ich finde das absolut machbar.
Wir legen um ca. 18:45 Uhr ab wie wir angekommen sind, mit auflandigem Wind - nur mit etwas mehr Wind als bei der Ankunft. Hungrig ist niemand. Wir haben gut für uns gesorgt und drinnen alles segelfest gemacht. Das Hafenbecken ist klein. Aber wir kommen mit guter Absprache und Koordination weg und ich bin froh, dass ich mein Schiff inzwischen so gut kenne. Den ersten Teil der Fahrrinne liegen wir mit dem Bug im Wind. Nachdem Festmacher und Fender aufgeräumt sind, ist dies der Moment um das Großsegel zu setzen.
Erstmal den Friesischen Sack... Das bringt Fahrt, Stabilität und ein Gefühl für die Stärke des Windes und die Bewegung des Schiffes gegen die Strömung. Dann setzen wir die kleinere Fock dazu, rommeln ein bisschen herum und schauen, wie wir uns an Deck am besten bewegen können. Das Schiff läuft recht ruhig. Das Großsegel kann jetzt ein wenig höher gehisst werden.
Das Fieren der Großschot macht im Moment nicht viel Sinn. Wir müssen zweimal halsen, bevor und während wir das Schiff auf die Untiefe fahren. Mit drei Personen brächte das bei diesem Wind zu viel Hektik.
Das Wasser steigt weiter noch eine Dreiviertelstunde lang und fließt zwischen Schiermonnikoog und Ameland ins Wattenmeer. Dann kommt es für etwa eine Dreiviertelstunde fast zum Stillstand.
Auf dem Wattenmeer ist das Segeln sehr dynamisch. Manchen muss es so vorkommen, als könnten wir dem einen Kurs nicht recht folgen. Aber das ist nicht der Fall. Wegen der Gezeiten, der ständig wechselnden Wasserstände und der sich konstant bewegenden Sandbänke müssen wir unseren Weg über die Untiefen des Wattenmeeres finden, regelmäßig den Wasserstand berechnen und unseren Kurs anpassen.
Auf der Seekarte des Wattenmeeres sind viele Gebiete hellgrün eingezeichnet. Das sind die Gebiete, in denen man bei Ebbe spazieren gehen kann. Es gibt dort also kein oder nur sehr wenig Wasser. Segeln ist dann nicht möglich.
Wenn das Wasser steigt, kann man die Segel wieder hissen, je nach Tiefgang des Schiffes und Wasserstand. Natürlich gibt es zwischen den Inseln große Fahrrinnen. Diese fallen nie trocken. Dort ist die Strömung am stärksten und bei ausreichendem Wind kann man auch bei Niedrigwasser gut segeln. Es ist ratsam, die Gezeitenströmung so oft wie möglich für die eigene Fahrtrichtung auszunutzen.
Ob man dann über einen grünen Kartenausschnitt - also über eine Sandbank - segeln kann, hängt zum einem vom astronomischen Wasserstand und dem Stand des Mondes ab, zum anderen vom Einfluss des Windes auf den Wasserstand. Wenn man also zum Beispiel ein oder zwei Wochen lang Ostwind hat, kann es sein, dass im Wattenmeer sehr wenig Wasser steht und man die Untiefen gut umschiffen muss oder manchmal gar nicht überfahren kann.
Normalerweise entscheide ich mich dafür, so zu fahren, dass wir Strömung mit uns haben. Heute Abend setze ich wegen des starken Windes auf eine kleine Gegenströmung. Das schadet nicht. Der Wind ist stark genug um mit 7 Knoten immer noch gegen die Strömung anzufahren.
Unser einziges Ziel ist es, bis Samstag, den 17. Juni 2023 in Den Helder zu sein.
Wo wir also heute Nacht schlafen, ist eigentlich egal, solange es nicht tiefer als fünf Meter ist und nicht zu stark strömt.
Wir segeln weiter über das Wierumer Wad südlich der Engelsmanplaat. Mit dem Friesischen Sack nehmen wir leicht und ohne viel Aktion einen Raumwindrak und folgen der Betonnung. Allmählich nimmt der Wind von 6 über 5 auf 4 Bft ab. Als wir unter Segel vor Anker gehen stehen nur noch 2 Bft. Es ist etwa 3 m tief. Das kann sein auf eine Untiefe, denn es ist erst anderthalb Stunden nach Hochwasser.
Die Sonne geht unter. Das Großsegel ist gerade eingerollt, als nur noch die Silhouette der Dünen zu sehen ist.