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Stromabwärts

26.10.2022

Heraus aus dem kleinen Schleusenkanal und vor uns liegt der Fluss glatt und ruhig. Inzwischen kriecht das Thermometer auf 22 Grad Celsius. Es ist warm. Ich nehme Gas weg und will sehen, wie viel Fahrt wir allein mit der Strömung haben. Wir machen 3,5 Knoten. Es gibt kaum Verkehr. Allerdings müssen wir uns aufgrund der Tiefe an die natürlich entstandenen Fahrrinnen halten, die mit Bojen abgesperrt sind. Mit etwas Motorkraft geht es nun abwärts durch die Mäander. Gelegentlich sitzt ein Adler am Ufer, um zu trinken.

Rechts sehen wir Herbst- und Kiefernwälder, Wiesen mit Kühen und Pferden, Dörfer, Ruinen alter Ziegelscheunen. Auffallend ist, dass die Dörfer auf polnischer Seite fast bis ans Flussufer reichen. Die Gärten sind liebevoll mit bunten Blumen geschmückt. Links, auf deutscher Seite, sehen wir zuerst den Deich des Kanals. Von der deutschen Stadt Schwedt, die etwa 3 km westlich der Oder liegt, erstreckt sich das Naturschutzgebiet Oderbruch mit seinen endlosen Sümpfen bis nach Stettin.

Die Sicht ist heute ausgezeichnet. So können wir mit dem Fernglas auch ein paar Skylines der deutschen Dörfer sehen. Wir sind überrascht, dass die Kirchtürme, normalerweise zwei pro Dorf, denen von Nauen, der Heimatstadt zweier Besatzungsmitglieder, ähneln.

Als wir die Grenze nach Polen überqueren, wird die Landschaft dynamischer. Wir passieren Widochuwa, Gryfino, Dzabnica und Podjuchy und hoffen, heute Abend südlich von Stettin festzumachen. Am Ufer warten die Eisbrecher Stanislaw, Andrzej und Pavel auf ihren Winterdienst. Die Oder kann manchmal zufrieren, was ein großes Problem für die Binnenschifffahrt darstellt.

Zum Glück haben wir heute Strom und Herbstsonne auf unserer Seite.

Heute sind wir die maximal möglichen Kilometer gesegelt. Es wird schneller dunkel. Wenn die Sonne untergeht, haben wir noch knapp 30 Minuten um alles für die Nachtfahrt vorzubereiten. Aber wir wissen, dass wir das nicht sehr lange machen sollten. Die Nachtfahrt auf der Oder ist verboten. Natürlich können wir nicht überall ankern und müssen weiter fahren, bis wir einen geeigneten Platz gefunden haben.

Diesmal gelingt es neben dem Stettiner Ring anzulegen. Wir schaffen es nicht bis zum planmäßigen Jachthafen. Aber am nächsten Morgen können wir früh weiterfahren und rechtzeitig zum Frühstück im Hafen sein.

Wir haben noch immer die Herbstsonne und die Strömung auf unserer Seite.