Quallenwolken
16.06.2023Motor an und runter von der Sandbank! Drei bis vier Minuten und wir fahren wieder in tieferem Wasser. Gott sei dank! Wir w ollen heute Abend noch segeln. An der Windsituation von heute morgen hat sich nichts verändert.
Ein Plattboden kommt uns entgegen. Er kommt aus Harlingen und hat vom abgehenden Wasser gebrauch gemacht - auf Motorkraft. Jetzt hat er den ersten Gegenstrom, den er für sein letztes Stück problemlos bewältigen kann. Kurz vor dem Hafen von Terschelling wird er dort hingezogen werden. Wir fahren außerhalb der Fahrrinne, er auch. Momentan geht es darum einen für ihn erkennbaren Kurs einzunehmen ... wohin wollen wir fahren ... er tut dasselbe für uns... bevor wir aneinander vorbeisegeln, wird es deutlich. Backbord, Backbord. Wir geben Gas, er auch.
Danach drehen wir die Antilope in den Wind und hissen die Segel. Mal sehen, ob wir den gleichen Kurs wie heute Morgen fortsetzen können: Hoch am Wind! Diesesmal kann das Schwert ganz nach unten. Wir nähern uns der starken Strömung des Vliestroms. Die verursacht eine große Drift. Wir versuchen gegen zu halten, segeln aber eine Zeit lang an ein und derselben Stelle. Es nützt nichts. Die Strömung, die sich in Richtung der großen Platte bewegen will, wird jetzt noch stärker.
Motor wieder an und versuchen Höhe zu gewinnen... Wir müssen den Vliestroom überqueren und auf die andere Seite der Hauptfahrrinne gelangen. Sonst werden wir nach Harlingen gedrückt.
Mit Motorkraft segeln wir noch ein Stück weiter, aber je näher wir der Gezeitenbucht kommen, desto stärker wird die Strömung. Ein, zwei Schläge müssen wir kreuzen. Wir gewinnen wieder an Höhe, werden aber auf die Große Platte zurückgedrängt. Wir segeln die maximale Höhe aus. Mit einer Geschwindigkeit von weniger als 2 Knoten kriechen wir regelrecht nach oben. Ein weiterer Schlag am höchsten Punkt... und das Halten der Höhe bleibt die größte Herausforderung - auch mit Hilfe des Motors.
Eine Stunde später sind wir eine Meile weiter von der Tonne entfernt, bei der wir gerade gekreuzt haben.
Die Unruhe dieses Nachmittags ist nicht wirklich verschwunden. Die für heute Abend berechnete Route ist zeitlich recht knapp. Bei Flut müssen wir das Sachte Bett überqueren. Das ist für uns die letzte Untiefe auf dieser Reise. Jetzt sind wir mit einer Stunde Verspätung erst hier und kämpfen gegen die Strömung.
Weitermachen! Wir sehen Fischerboote, die mit der Strömung hereinkommen – auf der rechten Seite der Strömung. Wir sind noch nicht dort...
Dann plötzlich haben wir die andere Seite des Vliestroms erreicht! Wir wechseln den Kurs nach Süden, die Segel auf Vor-Wind-Kurs. Und wir segeln mit etwa 8 Knoten auf Strömung und Wind. Erleichterung!
Auf einmal segeln wir mitten durch eine Quallenwolke. Dick und bunt. Unser Erstaunen topt die Aufregung des Tages. Wir sind sprachlos. Das haben wir in dieser Dimension noch nie gesehen. Wir segeln weiter und das Spektakel wiederholt sich noch drei oder vier Mal: Wir, die Geräusche der segelnden Antilope und die Quallenwolken. Wow...
Ich frage mich insgeheim, warum uns der dicke Glibber nicht ausbremst. Aber natürlich liegt die Antwort auf der Hand. Die Quallen sind so schnell wie die Strömung. Das nutzen wir auch. Und wir haben noch den Wind auf unserer Seite.
Um 20:15 Uhr segeln wir über das Sachte Bett. Es strömt nun kaum. Noch einmal auf den Am-Wind-Kurs. Als das abgehende Wasser einsetzt, werden wir ein Stück mitgenommen.
Ein weiteres Slalomrack um die Bäumchen einer Muschelbank. Dieses Mal halten segeln wir auf kleineren Abständen drum herum. Noch eine kleine Quallenwolke. Ein weiterer leuchtend orangefarbener Sonnenuntergang, den wir in vollen Zügen genießen. Mit der untergehenden Sonne fällt wie die ganze Woche schon der Anker.
Morgen früh können wir etwas ausschlafen, bevor wir um 15:00 Uhr in den Hafen von Den Helder einlaufen.