Ewige Freundschaft mit Wind und Gezeiten...
03.09.2022Nach unserer Nacht auf Terschelling hissen wir die Segel Richtung Ameland. Wind und Kurs haben sich nicht geändert. Es geht nach Osten. Inzwischen hat die Crew das dritte Reff in das Großsegel geknotet. Dadurch wird das Segel kleiner. Die Antilope liegt viel stabiler am Helm. Der Segelplan ist einfacher zu handhaben und der Kachelofen fällt auch bei Windstärke 5-6 nicht mehr um.
Wir sind aufeinander eingespielt. Jeder kennt jetzt verschiedenen Aufgaben auf dem Schiff und die Handlungen, die dazu gehören.
Steuermann, Rudergänger, Schwertbediener, Fockbakhalter... So kreuzen wir mit abwechselnden Aufgaben und 26 Schlägen über das Terschellinger Watt, gegen den Wind und mit dem Strom. Wer sieht als erster die Vögel auf der Sandbank stehen? Wenn man das sieht sollte die Mannschaft klar sein zur Wende...
Der Gezeitenwechsel setzt ein und mit dem abgehenden Wasser müssen wir uns beeilen, schnell wieder in tiefere Gewässer zu gelangen. Wir nutzen nun auch den Motor, um rechtzeitig nach Ameland zu kommen. Es ist nicht so, dass wir keine Zeit haben. Aber um rechtzeitig in Leer zu sein, müssen wir darauf achten, nicht unbeabsichtigt auf Grund zu laufen.
Ich mag solche Abenteuer. Zuerst unter Terschelling der Slalom um die Bäumchen der Muschelbänke. Danach die Fähigkeit entwickeln oder ausbauen, sich den Gezeiten hinzugeben, sich einlassen auf Untiefen, genießen, was der Zufall für uns parat hält...
Fest laufen - lieber buchstäblich als im übertragenen Sinne!
Meine Crew muss sich an diese Gedanken gewöhnen. Alle drei sind Seefahrer und suchen mit ihren Schiffen normalerweise die tiefsten Fahrwasser auf. Aber hier steht auch die stärkste Strömung. Im Watt kann das Nachteile haben. Der Fahrrinne nicht folgen zu müssen, ist ihnen fremd. Mit der Antilope halten wir uns außerhalb der Fahrrinnen, suchen Sandbänke auf. Ein neuer Gedanke, der meine Crew verwirrt. Ich verstehe ihre Verwirrung und die Forderung nach mehr Klarheit einige Tage lang nicht. Seemeilen habe ich kaum gemacht. Und als ich das einmal tat, hatte ich bei der Navigation kein Mitspracherecht...
Die längste Strecke haben wir heute hinter uns gelassen. Ab hier sind die Raks, die wir täglich zurücklegen müssen, kürzer. Wir halten uns Wind Gezeiten zum Freund.
Nachts fallen wir trocken unter Ameland, von wo aus wir die Reise am nächsten Tag in Richtung Engelsmanplaat fortsetzen, einem besonderen Naturschutzgebiet im östlichen Wad.
Teils segelnd, teils motorisiert erreichen wir den Platz für die Nacht. Die Sandbank vor uns wird immer größer. Das Wasser geht. Eine große natürliche Dunkelheit überfällt uns. Hier auf dem Wad merkt man, wie dunkel die Nächte wirklich sein können, ohne künstliches Licht. Sterne drehen sich mit der Nacht über dem Schiff. Die Nächte sind warm. Und das Wasser kommt wieder zurück. Das ist sicher!
Am nächsten Morgen haben wir Zeit für einen ausgiebigen Spaziergang zur Sandbank. Wir wandern zwei Stunden und genießen die Ruhe, die Vögel und die Geräusche dieses Ortes. Eine Gruppe Löffler löffelt fröhlich in den Prielen rund um das Schiff.
Raum, um Gedanken kommen und gehen zu lassen wie die Gezeiten. Vielleicht zu viel Ruhe für manchen von uns. Sich einen Moment der Stille erlauben zu können, ist nicht jedermanns Sache.
Tsjerk machte die Bilder unter Segeln von der Willem Jacob aus.