Die versunkenen Göring-Kähne
02.10.2022Wir lassen Berlin, die grauen Wolken und den Regen hinter uns und folgen den Wasserstraßen entlang des Westhafens und des Berlin-Spandauer Schifffahrtskanals in nordwestlicher Richtung stadtauswärts. Wir kehren zurück zur Seenkette der mittleren Havel. Hier beginnt die Havel-Oder-Wasserstraße, die Berlin mit der Oder verbindet. Das Steuerbordufer gehört zu Berlin, das Backbordufer zum Land Brandenburg. Es verwundert nicht, dass sich hier auch die ehemalige deutsch-deutsche Grenze befand.
Am nördwestlichsten der Seen, dem Niederneuendorfer See, wollen wir ankern und übernachten. Aus der Karte geht hervor, dass hier mitten im Wasser eine natürliche Landzunge zu liegen scheint, die die Fahrrinne vom See trennt. Südlich der Landzunge finde ich einen sicheren Ankerplatz. Das Wasser ist tief und sauber. Der Anker braucht etwas mehr Kette, da der Grund sehr schlammig ist. Später liegen wir so still wie ein Haus.
Plötzlich weist Andreas auf die jungen Bäume und zeigt uns, dass es sich um versunkene Frachtkähne handelt, die beim Mauerbau absichtlich hier versenkt wurden. Die Kähne dienten als Grenzmauer zwischen der ehemaligen DDR und dem ehemaligen Westdeutschland. Heute sind sie längst mit Bäumen bewachsen. Wasservögel stehen oben auf dem Rand der Reling. Nur ein paar Poller und Reste der Ankerwinden ragen heraus. Ich werde neugierig und möchte mehr Informationen darüber finden. In meiner Unwissenheit denke ich immer noch, dass dies wahrscheinlich die Kähne sind, aus denen Berlin gebaut wurde. Aber das ist nicht ganz richtig.
Nach einiger Recherche finde ich heraus, dass es sich tatsächlich um Holzkähne handelt, die in Schweden unter dem nationalsozialistischen Regime Anfang der 1940er Jahre im Auftrag der Göring-Werke gebaut wurden. Die Lastkähne sind aus Holz und erhielten später einen Metallbug zum Eisbrechen.
Die Konstruktionszeichnungen der Frachtkähne sind verschwunden. Die Rümpfe sind außerordentlich stabil und robust gebaut. Ein Binnenschiff hatte eine Nutzlast von 500 t - 600 t bei einer Länge von ca. 55,0 m und einer Breite von ca. 8,2 m.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der ehemaligen DDR entstand später der Name Göring-Kahn. Dazu gehören jedoch nicht nur die schwedischen Frachtkähne, sondern alle Kähne, die für das nationalsozialistische Regime Fracht fuhren und sich im Besitz der „Reichswerke Hermann Göring“ befanden.
Klingt nach einem spannenden Gebiet zum Tauchen. Einiges von diesem Wissen habe ich von Wikipedia.