Die große Sandbank
16.06.2023Wie für die meisten Leute, die auf dieser Reise ein Stück mitgefahren sind, endet für Martijn und Leonie morgen eine Segelwoche. Für mich geht eine viel größere Reise zu Ende. Deshalb würde ich bei diesem schönen Wetter gern noch ein oder zwei Nächte hier draußen bleiben. Aber die Pflicht ruft und Unterhalt muss auch wieder verdient werden.
Wir erwarten einen Tag wie alle anderen: Überherrlich! Wir haben noch ein paar Meilen vor uns vom Terschellinger Watt bis zu den Wattgründen unter Texel. Der Wind weht mit 3-4 Bft aus Nord-Nordwest; schön zu segeln und am Wind. Gezeitentechnisch ist es ein bisschen wie in den letzten Tagen. Wenn das Wasser von der Untiefe abfliesst, müssen wir mit und halten später irgendwo an.
Wir haben noch nicht entschieden, ob wir am Nachmittag den Hafen von Terschelling anfahren oder auf eine Sandbank fahren. Die Handlungen an Bord sind in Fleisch und Blut übergegangen. Ich treffe zwar die Hauptentscheidungen, aber ob wir auf eine Sandbank fahren oder in einen Hafen, das muss ich nicht alleine entscheiden... – glaube ich...
Ich schlage die möglichen Optionen vor und warte auf die Antwort. Solange noch keine Entscheidung gefallen ist, versuchen wir, die Höhe unter Terschelling so lange wie möglich zu halten, um den Hafen noch anlaufen zu können.
Wir segeln über eine Muschelbank was einiges an Manövrier-Geschick erfordert. Denn die Bank ist abgegrenzt mit langen jungen Baumenden. Es ist interessant, auf wie viele verschiedene Arten man hier hindurch segeln kann und dass jeder es anders machen würde.
Mit der Geschwindigkeit von Wind und Strömung ist die Antilope wendig und leicht zu manövrieren. Sie reagiert schnell. Abfallen ist kein Problem. Schnell wieder anluven noch weniger. Aber trotzdem: Der eine zielt auf das nächste Bäumchen, der andere behält den Hafen von Terschelling als Ziel im Auge und umsegelt die Bäumchen... Schließlich verlieren wir so viel Höhe, dass wir den Hafen von Terschelling nicht mehr unter Segel - oder höchstens mit einem ordentlichen gekreuzten Rak - erreichen können.
Das ist viel Arbeit zu dritt. Wir entscheiden uns dagegen.
Um mit schnell ablaufendem Wasser nicht auf der nächsten Sandbank zu landen - es strömt hier stark und die Sandbänke sind am Rand steiler als im Ostwatt - müssen wir einen Schlag kreuzen – das erste Mal auf dieser Reise. Es ist ein bisschen suchen. Das Manöver erfordert neue Aktionen. Aber das Prinzip ist verstanden und wir kehren schnell auf die hohe Seite der Fahrrinne zurück.
Der Ausdruck „Höhe halten“ bekommt für die Mitreisenden nun eine neue Bedeutung. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns während des Mittagessens auf der großen Sandbank des Terschellinger Watts trocken zu legen. Der Wasserstand lässt keinen anderen Ort mehr zu. Wenn wir jetzt weiterfahren, wird das Wasser für die weitere Fahrt später zu niedrig sein.
Einfach trocken! Wir liegen ziemlich schnell am Grund. Das Wasser verschwindet. Aber wir sind nah an der Fahrrinne nach Terschelling. Und das ist nicht irgendeine Fahrrinne. Das ist momentan das Hauptfahrwasser, das die Fähren von Doeksen befahren - auch bei Niedrigwasser. Ich wusste nicht, dass hier so viel los ist. Gefühlt kommt alle 20 Minuten eine Fähre vorbei. Das Gefühl hat man nicht, wenn man auf der Insel ist und übersetzen möchte aufs feste Land.
An unserem Mittagsrastplatz stehen noch etwa 50 cm Wasser, als plötzlich die Schnellfähre an uns vorbeizieht und ein paar schöne Wellen schlägt. Die Wellen sind natürlich so groß, dass sie uns etwa zwei Meter weiter die Platte hinaufschieben. Das fühlt sich beschissen an. Glücklicherweise verschwindet das Wasser schnell und eine halbe Stunde später sind die Wellen zu klein, um die Antilope weiter zu bewegen ...
Wir haben ein wenig Zeit, um im Wasser zu spielen, spazieren zu gehen und ein Nickerchen zu machen. Der Wind bleibt konstant so, wie er heute morgen war. Aber die große Sandbank bleibt weiterhin unruhig. Der Boden ist hier mit Pflanzen bewachsen und darauf leben unzählige Krabben und Krabbenkinder.
Etwas nervös warte ich darauf, diese Sandbank bald verlassen zu können.
Manchmal muss man sich einfach darüber im Klaren sein, dass man als Skipper auch für die Auswahl des Rastplatzes verantwortlich ist. Der Hafen von Terschelling wäre die bessere Option gewesen. Ich hätte früh genug einen besseren Entschluss fassen sollen
Dennoch hatten wir auf der großen Sandbank viel Spaß.