Auf dem Peenestrom
24.04.2023Der Peenestrom ist das Fahrwasser zwischen der Ostseeinsel Usedom und dem Festland. Der Wasserlauf wird von der Peene gespeist und gilt als Binnenwasserstraße. Die Peene ist der größte Fluss hier oben im Nordosten Deutschlands und ist, wie alle Findlinge außerhalb der Fahrrinnen, ein Überbleibsel aus der letzten Eiszeit im Urstromtal. Das Delta der Pene wird als Amazonas Norddeutschlands bezeichnet und ist ein riesiges Naturschutzgebiet. Die Wiesen ringsum waren ursprünglich Moore.
Wenn man auf dem Peenestrom fahren möchte, muss man die Brücke bei Wolgast im Norden passieren. Das ist der nördlichste Übergang nach Usedom. Gestern haben wir diese Brücke hinter uns gelassen. Im Süden gibt es bei Zecherin eine zweite Brücke nach Usedom. Diese Brücke öffnet zu festen Zeiten und es wird empfohlen, 10 Minuten im Fahrwasser vor der Brücke zu warten und das Schiffshorn zweimal lang zu bedienen, bevor man hindurch kann.
Etwa eine drei-viertel Motorstunde südlich von Wolgast lichten wir morgens um 10:00 Uhr den Anker. Wir informieren die Küstenwache über unsere Abfahrt, die sich wundert, welchen Tiefgang wir haben, weil keines der ihnen bekannten Schiffe jemals dort vor Anker liegt. Ob wir auch den Wasserstand des Peenestroms kontrolliert haben, weil die Fahrrinne versandet, aber na ja... mit 80 cm sollte das gehen, wenn wir durch die Außenbucht fahren...
Wie gestern wollen wir die Brücke in Zecherin am späten Nachmittag erreichen, um den ersten Teil des Peenestroms auf Raumwindkurs zu segeln. Die letzte Strecke müssten wir kreuzen. Mit der hiesigen Mannschaft und unserem Gesamtschatz an Erfahrung auf der Antilope traue ich uns nicht zu, die schmale Wasserstraße aufzukreuzen.
Es steht eine Windstärke von 4 Bft aus West-Südwest. Auf den kurzen Raks im engen Fahrwasser hätten wir nicht genug Geschwindigkeit, um die Wenden mit Freude zu fahren.
Auf dem Raumwindrack läuft die Antelope wie ein Zug mit konstanter Geschwindigkeit von 5,8 - 6 Knoten. Steuern und Kurs halten fällt leicht. Ich reise gern auf diese Art. Nur finde ich es schade, dass ich das Gewässer nicht besser kenne. Ich hätte mehr Mut und könnte andere Entscheidungen treffen, wenn ich ein paar Tonnen besser kennen würde. Dieser Teil muss noch ausgearbeitet werden. Mit der Änderung der Orientierung der Fahrrinne liegt die Antilope schon beinahe im Wind und wir holen die Segel ein.
Wir kommen rechtzeitig vor der Brücke an und haben großes Glück, eine zweistündige Pause östlich des wunderschönen Naturmoorgebietes am Peenedelta genießen zu können. Die Moore scheinen eine Wetterscheide zu sein für die Regenwolken, die wir in einem wunderschönen Schauspiel vorbeiziehen sehen. Heute bleiben wir trocken.
Ich denke mir noch, wenn die Küstenwache nicht mal glaubt, dass wir festsitzen ... Aber keine Frage über den UKW-Funk. Wir genießen den Luxus zweier funktionierender Schwerter und die Ruhe.
Um 16:45 Uhr dürfen wir die Brücke bei Zecherin passieren und fahren ein Stück weiter auf Motorkraft. Je weiter wir nach Osten kommen, desto größer und wilder werden die Sümpfe. Unsere letzte Station vor Polen wird das mittelalterliche Städtchen Usedom sein, wo ich auf dem Weg nach Greifswald wegen zu viel Nebel vier Tage lang still gelegen habe.
Wir passieren eine alte stählerne Eisenbahn-Hubbrücke, die hier einst stand und im 2. Weltkrieg zerbombt wurde. Der Hubteil steht noch immer als monumentaler Teil des alten Ganzen. Nur ein kleiner Teil der Fahrrinne wurde geräumt, um hier Schifffahrt zu ermöglichen.